Es gab Zeiten, da war der Biss in eine herzhafte Scheibe Vollkornbrot der Inbegriff von bewusster Ernährung. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Immer öfter wird von verschiedenen Seiten auch auf die möglicherweise vorhandenen Risiken hingewiesen und darauf, dass Getreide ungesund sein könne.
Der Verzicht insbesondere auf Weizen, aber auch auf die meisten anderen Getreidesorten, wird von vielen Vertretern bestimmter Ernährungsformen angeraten. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.
Auch die basenbetonte Ernährung steht Getreide nicht unkritisch gegenüber. Sie sieht darin allgemein eher einen Säurebildner. Sofern es sich um die Vollkornvariante handelt, betrachtet man es allerdings als wertvollen Säurebildner. Dann ist es durchaus in Maßen erlaubt.
Aber es geht nicht immer nur um den Säure-Basen-Haushalt. Gerade bei Getreide scheinen noch ein paar andere Dinge eine immer wichtigere Rolle zu spielen.
Gesund, gesünder, Vollkorn? Warum Getreide ungesund sein kann
Produkte wie Vollkornbrot und -Brötchen, Hafer- und andere Getreideflocken, Vollkornnudeln und -reis warten mit einem stattlichen Anteil an Ballaststoffen, Mineralstoffen und B-Vitaminen auf. Wie also kann Getreide ungesund sein?
Viele Stoffe gehen bei der Weissmehlproduktion verloren, weil die wertvollen Randschichten, in denen all das Gute sitzt, dabei entfernt werden. Zu Vollkornverzehr wird daher schon lange – auch von offizieller Seite und von Ärzten – geraten.
Ist also nur stark ausgemahlenes Getreide ungesund, während Vollkorngetreide eine gesunde Nährstoffbombe ist?
Antinährstoffe – ein kleines Verwirrspiel
Es gibt eine stetig wachsende Schar von Menschen, die unter einer Getreideunverträglichkeit leiden – egal ob Vollkorngetreide oder nicht.
Denn neben all den gesunden Stoffen gerade im vollen Korn gibt es auch ein paar Übeltäter, denen man nach und nach auf die Spur kommt. Die Rede ist von sogenannten Antinährstoffen.
Gerade in Bezug auf diese Stoffe keimt immer wieder die Frage auf, ob Getreide ungesund ist.
Gluten – Traum und Alptraum liegen nah beieinander
Gluten ist der wohl bekannteste dieser Stoffe, denn gegen ihn haben einige Menschen eine medizinisch anerkannte und schwerwiegende Unverträglichkeit entwickelt.
Bei diesem Leiden handelt es sich um die Zöliakie, die zu den sogenannten Autoimmunerkrankungen zählt. Bei Autoimmunerkrankungen richtet sich das Immunsystem der Betroffenen irrtümlicherweise gegen körpereigenes Gewebe. Im Fall von Zöliakie werden Antikörper gegen ein körpereigenes Enzym gebildet, welches an der Verstoffwechselung von Gluten beteiligt ist. Das kann letztlich zu einer Entzündung der Darmzotten führen.
Gerade in Bezug auf diese Stoffe keimt immer wieder die Frage auf, ob Getreide ungesund ist.
Was ist Gluten
Was für Menschen mit Glutenunverträglichkeit eine Art Alptraum mit zahlreichen Symptomen auslösen kann, stellt für leidenschaftliche Bäcker einen wahren Traum dar. Gluten ist ein Klebereiweiß, welches dem Mehl und dem daraus erstellten Teig perfekte Backeigenschaften verleiht. Es macht den Teig unter anderem flexibel, dehnbar, formbar. Zöpfe, Brezeln, Kränze, dünne Fladen – alles ist möglich dank Gluten.
Zöliakie – wenn Gluten schadet
Bei Zöliakie – wenn also Gluten nicht vertragen wird – wird eine Schädigung der Dünndarmschleimhaut durch den Verzehr von Gluten begünstigt. Zöliakie lässt sich per Dünndarmbiopsie und Antikörpertests nachweisen.
Normalerweise ist der Dünndarm nicht glatt, sondern in viele Falten gelegt – die sogenannten Darmzotten. Dadurch vergrößert sich die Darmoberfläche insgesamt, was gut ist, denn der Dünndarm dient zur Aufnahme der Nährstoffe aus dem Nahrungsbrei. Eine größere Darmoberfläche bedeutet mehr Nährstoffaufnahme. Bei Zöliakie bilden sich die Zotten jedoch zurück. Damit verringert sich auch die Oberfläche des Darms, was langfristig zu einem Nährstoffmangel führen kann.
Natürlich kann es durch die Entzündung und Schädigung auch zu Verdauungsbeschwerden kommen – Durchfälle, Übelkeit, Krämpfe und Blähbauch lassen grüßen. Aber auch Gewichtsverlust, Schwäche, Anämie (Blutarmut), Osteoporose (Knochenschwund), Müdigkeit und ein allgemeines Krankheitsgefühl können laut der >>Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e.V. unter anderem auftreten.
!Wer unter Zöliakie leidet, muss sich lebenslang glutenfrei ernähren, sonst kommt es langfristig zu immer größeren Schäden und Beschwerden. Unter konsequentem Glutenverzicht regeneriert sich dagegen die Darmschleimhaut, die Beschwerden gehen zurück.
Es muß nicht immer Zöliakie sein
Nicht jeder, der auf Gluten empfindlich reagiert, muss zwangsläufig an Zöliakie leiden. Dennoch können ähnliche Symptome vorhanden sein und es kann eine Besserung bei gluten- oder Weizenfreier Ernährung auftreten, was zum Beispiel bei der Weizenallergie der Fall wäre.
Zudem wird Gluten mittlerweile auch mit anderen Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Hashimoto Thyreoiditis (eine chronische Entzündung der Schilddrüse) in Verbindung gebracht. Auch scheint es Personen zu geben, die zwar glutenbezogene Antikörper im Blut haben, allerdings keinerlei Symptome aufweisen.
ATI – ein weiterer Übeltäter?
Es gibt laut neueren Forschungsergebnissen von der Gutenberg Universität Mainz noch einen weiteren Verdächtigen, der zöliakieähnliche Symptome auslösen kann – ATI (Adenosin-Triphosphat-Amylase). Es kann zur sogenannten Weizensensitivität kommen. Das Protein ATI wurde ganz gezielt verstärkt in die modernen Hochleistungsgetreidesorten hineingezüchtet, um sie resistenter gegen Schädlinge zu machen.
Wer immer wieder Verdauungsprobleme oder andere zöliakieähnliche Symptome hat, aber erwiesenermaßen nicht an Zöliakie leidet, findet hier möglicherweise eine Ursache.
Lektine – noch mehr Pestizide
Weiter geht’s mit einem anderen Antinährstoff. Auch dieser spielt bei der Frage, ob Getreide ungesund ist, eine Rolle. Mit Lektinen schützen sich Pflanzen – ähnlich wie mit ATI – vor Fraßfeinden. Es handelt sich dabei um ein Protein, welches wie ein natürliches Pestizid wirkt.
Daher gibt es Ernährungsrichtungen, deren Vertreter vorsichtshalber bewusst auf Lektine in der Nahrung verzichten, wie zum Beispiel Anhänger der Paleo-Ernährung.
Lektine sind in vielen Nahrungspflanzen enthalten, besonders reich jedoch in Hülsenfrüchten und Getreide, insbesondere in Weizen. In Bezug auf Lektine ist demnach möglicherweise nicht nur Getreide ungesund, sondern auch Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen.
Auch noch Phytinsäure
Sie kommt in allen pflanzlichen Samen vor, also vor allem in Getreidevollkornprodukten, Nüssen und Hülsenfrüchten.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung nimmt in oben verlinkter Meldung auch dazu Stellung. Sie geht davon aus, dass im Rahmen einer ausgewogenen und vielseitigen Ernährung keine nachteiligen Folgen durch Phytinsäure zu erwarten seien. Auch hier gibt es allerdings anders lautende Meinungen, unter anderem wieder von den Vertretern bestimmter Ernährungsrichtungen wie Paleo.
Auch Phytinsäure führt also jedenfalls dazu, dass von vielen Menschen Getreide ungesund eingestuft wird. Allerdings gibt es Untersuchungsergebnisse, die darauf hinweisen, dass Phytinsäure auch einige positive Auswirkungen haben könnte, wie zum Beispiel zur Krebsvorbeugung.
Was also tun?
Getreide und der Getreidekonsum geben immer noch einige Rätsel auf, auch wenn die Forschung – wie im Fall von ATI – natürlich immer weitere Fortschritte macht. Auch zum Thema Gluten und Zöliakie gibt es gerade zur Symptomvielfalt viele verschiedene Aussagen, denen man anmerkt, dass die diesbezügliche Forschung noch nicht am Ende angelangt ist.
Ob Getreide ungesund ist, lässt sich unserer Meinung nach also kaum pauschalisieren.
Die Tatsache, dass unser Hochleistungsgetreide – insbesondere der Weizen – extrem hochgezüchtet ist und sich dadurch von der jeweiligen Urform weit entfernt hat, macht die Lage nicht eben einfacher. Grundsätzlich sind jedenfalls neben Gluten im Getreide noch einige Stoffe enthalten, die durchaus nicht ganz unproblematisch zu sein scheinen.
Das mag für viele Menschen kein Thema sein – wer aber auf den einen oder anderen Stoff empfindlich reagiert, hat irgendwann möglicherweise doch mit negativen Auswirkungen zu rechnen.
!Insbesondere, wer unter ungeklärten, andauernden Beschwerden leidet, könnte vorsichtshalber einmal in diese Richtung denken, einen Arzt darauf ansprechen und sich generell schlau machen. Das gilt natürlich ganz besonders bei Symptomen einer Zöliakie!
Meine persönliche Schlussfolgerung: kein Getreide
Ich habe für mich ganz persönlich entschieden, weitgehend auf Getreide zu verzichten. Für mich war ausschlaggebend, dass im Rahmen einer basenbetonten Ernährung Getreide (auch Vollkorn) sowieso ein Säurebildner ist, der nur in Maßen konsumiert werden soll.
Lange Jahre habe ich allerdings auf Vollkorn gesetzt. Ich liebe Vollkorn, also den Geschmack und die Konsistenz. Aus Neugier habe ich aber ein paar Tage den Test gewagt und auf jede Form von Getreide verzichtet – mit dem Ergebnis, dass ich mich tatsächlich besser fühlte. Insgesamt fitter, besser gelaunt, leistungsfähiger, beschwerdeärmer. Ganz besonders auffällig war, dass ich morgens viel leichter aus den Federn kam. Und das fast direkt schon nach einem Tag Verzicht.
Hülsenfrüchte und Nüsse esse ich aber weiterhin, auch wenn einige der hier genannten Punkte auch auf sie zutreffen. Zumindest aber der scheinbar problematischste Stoff – das Gluten – kommt darin nicht vor. Daher nutze ich sie weiterhin als wertvolle Protein- und Nährstoffquelle, natürlich nur in den Maßen, wie sie in einer basenbetonten Ernährung sinnvoll sind.